Erinnerungskultur -
Jüdische Ärztinnen und Ärzte in der NS-Zeit
Das Gymnasium Mering lud unser Mitglied Dr. Elisabeth Friedrichs für den 6. Februar zu einem Vortrag ein zum Thema „Jüdische und politisch missliebige Ärztinnen und Ärzte aus Augsburg in der NS-Zeit“. Das Gymnasium ist Teil des Schulnetzwerks „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Die Geschwister Scholl sind neben anderen Personen prominent am Schulgebäude abgebildet. Das Thema Nationalsozialismus ist Unterrichtsstoff für die 9. Klassen im Gymnasium, daher war der gesamte Jahrgang der 9. Klasse des Gymnasiums anwesend. Im Vortrag berichtete Dr. Friedrichs anhand von konkreten Beispielen, wie Jüdinnen und Juden in der NS-Zeit zunehmend misshandelt, später fast alle vernichtet wurden. Im Mittelpunkt des Vortrags standen drei Personen und deren Familien:
- Dr. Sophie Mayer, der wie allen jüdischen Ärztinnen und Ärzten schon im April 1933 die Kassenzulassung entzogen wurde, 1938 dann die Approbation, also die Erlaubnis, als Ärztin zu arbeiten. Sie berichtete aber auch über die Rettung von Dr. Mayer. Der Polizeikommissar Paul Mayer (die Namensgleichheit ist Zufall) und seine Frau Rosa versteckten Dr. Sophie Mayer in ihrer Wohnung, direkt über der Polizeistation in Lenggries. Insbesondere beeindruckte die Schülerinnen und Schüler, dass der 11-13-jährige Sohn Günter für drei Jahre sein Zimmer hergegeben und die ganze Zeit nichts verraten hat.
- Dr. Rudolf Aub konnte Anfang 1939 nach Inhaftierung in Dachau Deutschland verlassen und war schließlich in Jamaica für fast 40 Jahre ein sehr beliebter Arzt. Seine Familie konnte erst 8 Jahre nach seiner Verhaftung nachkommen. Die drei Kinder durften als „Mischlinge“ keine höhere Schule besuchen, wie z.B. ein Gymnasium wie das in Mering.
- Der katholische Arzt Dr. Otto Hett studierte in Würzburg Medizin. Anhand von Eintragungen in seinem Studienbuch im Wintersemester 33/34 wurde die Einflussnahme des NS-Staates auf die Ausbildung vorgestellt mit Fächern wie: „Rassenhygiene“, „Italienischer Faschismus und deutscher Nationalsozialismus“, „Grenz- und Auslandsdeutsche“. Ein Professor denunzierte Dr. Hett nach einem Streit. Er wurde verurteilt, in Dachau inhaftiert und von dort in das Konzentrationslager Majdanek/Lublin im damaligen Generalgouvernement Polen verbracht. Dort behandelte er als deutscher Häftlingsarzt vor allem die sowjetischen Kriegsgefangenen gut und schützte sie vor Misshandlungen. Er wurde auf dem Evakuierungsmarsch nach Auschwitz im Juli 1944 von den SS-Begleitsoldaten erschossen. Seine Familie erfuhr erst 1998 vom Schicksal von Otto Hett.
Zwei Musiklehrer des Gymnasiums, Christian Eberl und Pasquale Baratta, umrahmten die Veranstaltung mit Liedern u.a. von Komponistinnen und Komponisten aus Theresienstadt. Anhand des Liedes von Ilse Weber: Ich wandre durch Theresienstadt“ erläuterten sie das Schicksal von Kindern in diesem Ghetto. Sie konnten zwar Musikstücke aufführen, wurden aber wöchentlich ausgetauscht, weil sie starben oder nach Auschwitz verbracht wurden. Die Schulveranstaltung war ein Ergebnis einer Veranstaltung im November 2023 im Evangelischen Forum Annahof zum gleichen Thema als Teil der Veranstaltungsreihe „Augsburger Beiträge zur historisch-politischen Bildung“ im Jahre 2023, federführend von der „Fachstelle Erinnerungskultur“ der Stadt Augsburg organisiert und einem breiten Netzwerk Augsburger Initiativen getragen. Dazu gehören die Augsburger Friedensinitiative, das Evangelische Forum Annahof, die ErinnerungsWerkstatt Augsburg, der Verein Gegen Vergessen – Für Demokratie RAG Schwaben, der Initiativkreis Stolpersteine für Augsburg und Umgebung, das Jüdische Museum Augsburg-Schwaben, Pax Christi, der Regionalverband Deutscher Sinti & Roma e.V. und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist:innen Augsburg. Diese Veranstaltung wurde auch von FiLL Forum interkulturelles Leben und Lernen e.V. und dem Ärztlichen Kreisverband Augsburg-Schwaben unterstützt. Ein Lehrer hatte diesen Vortrag gehört und den Kontakt zum Gymnasium Mering vermittelt.
Elisabeth Friedrichs